Tag 7 – CVJM Hattingen, einfach lebendig

Leicht irritierte Blicke der FH-Kinder, als sie zum Frühstück in ihren Gruppenraum kommen: Die Tische stehen anders. An der Wand hängen zwischen Birkenstämme gespannte und mit Namen vollgeschriebene Lederstücke. Wenige checken es. In der Nacht auf Samstag war „Hasenabend“. 10 Neue wurden aufgenommen in den Club derer, die mindestens 3x an einer Brahmseefreizeit teilgenommen haben. Nach dem Frühstück gehen einige an den Tafeln entlang. „Die kenne ich“ – und dann ist es die Tante oder sogar der Opa. Zum 60-ten Mal dass der CVJM-Hattingen jetzt zur Kinderfreizeit an den Brahmsee fährt. Wahnsinn! Hier an den Tafeln ist es mit am stärksten ablesbar. Heute, zum „Bergfest“ der Freizeit, soll das Jubiläum Raum haben. Die ursprünglich groß geplanten Feierlichkeiten mussten wir aufgrund der Pandemie natürlich schon vor Monaten absagen. Als ich am Donnerstag spät abends auf dem Waldheim-Gelände ankam, stiegen somit auch weder die Superintendentin noch unser Hattinger Bürgermeister mit aus dem Auto. Den Ball flach halten – so hatten wir uns vorgenommen.
Nach über 2 Jahren jetzt wieder hier zu sein war für mich beides: Auf der einen Seite viel Vertrautheit mit den Orten, dem See, dem Wald; viel wunderbares Wiedersehen (ohne Maske!) vor allem mit Kindern und Mitarbeitern! Aber auf der anderen Seite aus dem gewissen Abstand heraus auch noch mal ein hoher Respekt vor all dem, was dieses Fleckchen Erde für mich und für so viele andere aus Hattingen und Umgebung zu einem so ganz besonderen und bedeutenden Ort macht.
Beim morgendlichen Zusammenkommen am Andachtsstein heute am Samstag spüre ich einen gewissen Stolz auf die Kinder, die Mitarbeiter, darauf, dass es immer noch funktioniert. Ja, ich bin sicher: Eine Freizeit in dieser Form gehört zu den Dingen, von denen wir jetzt im Schatten von Corona einmal mehr begreifen, wie elementar wichtig sie sind. „Aufstehn, aufeinander zugehn, voneinander lernen miteinander umzugehn“ singen sie recht laut und gar nicht schlecht bei der Andacht eines der Lieder, von denen ich vor wenigen Monaten noch gesagt hätte, dass wir sie mal aus dem Liedheft entfernen könnten. Ist es das, was den B.see ausmacht? Das, was sie jetzt seit einer Woche wieder entdeckt haben, aber womit sie sich auch seit einer Woche immer mal wieder gehörig abmühen mussten: „Lernen miteinander umzugehn“. Gar nicht so einfach, wenn alle gerade aus mehr oder weniger kontinuierlichen 15 Monaten Dauerlockdown und viel „Auf-sich-selbst-gestellt-sein“ zurück kommen!
Da ist das schon legendäre „Müllsack-Spiel“ für Samstag-Vormittag genau das Richtige. Erst recht, weil vom Team viele kreative Varianten eingebaut wurden und kurz erklärt werden müssen, bevor es losgeht und sie sich im weiten Gelände von den Kindern fangen lassen müssen.
Am Nachmittag dann gibt’s die „Jubiläums-Veranstaltung“: Keine langen Reden, keine Fotoserien aus 6 Jahrzehnten oder ähnliches. Stattdessen eine entspannte Mischung aus Kirmes und Zirkus, mit einigen Spielgeräten, die auch das Waldheim nicht alle Tage zu Gesicht bekommt! Einfach herrlich, wie Ben sich freut, als beim Fußball-Dart der Ball nach seinem Hammer-Schuss auf der 1 haften bleibt. Und wie es sich für eine Kirmes gehört, gibt es dort auch allerlei Leckeres, vom Slush-Eis über Popcorn bis hin zu Cookies am Stil. Getoppt wird es kulinarisch eigentlich nur durch das große Aufgebot an Leckereien vom Grill, die heute das sonst übliche Abendessen ersetzen. Draußen auf den Bänken zu essen fühlt sich an wie in einem riesigen Garten-Restaurant. Dirk Hagemann, unser CVJM-Vorsitzender, der dies seit Tagen vorbereitet hat, grinst zu Recht zufrieden, als ich ihn für einen Moment auf einem Stuhl um die Ecke sitzen sehe.
Während die Camper aufräumen, geht es für die Kinder am Strand weiter. Fürs Tanzen zur Musik ist es für die meisten zwar noch ein wenig zu hell (es sind ja alle auch aus der Übung!), aber gute Stimmung kommt dennoch auf. Und die geht auch nicht verloren, als es ab 22 Uhr nur leise (und eben statt verstärkt nur unplugged)  weitergehen darf. Ein Highlight im wahrsten Sinne des Wortes ist schließlich die Feuershow, die von der Zirkusfamilie vom Nachmittag um 22.30 Uhr in der nächtlichen Strandidylle vorm Steg abgefackelt wird. Als sich gegen 11 alle im großen Kreis und unterm Nachthimmel zu „Gute-Nacht-Kameraden“ an den Händen halten, ist das Leuchten in den Augen immer noch da.
Seit 1961 Brahmsee – und immer wieder neu gemeinsames Erleben, das sich tief in die Biografie der Einzelnen eingräbt. Grund, Danke zu sagen. Und für Julien Middelmann und sein großes Team Herausforderung genug, die Ärmel auch für die nächsten Jahre hochzukrempeln. Dass es sich lohnt, weißt du nach so einem Tag – der natürlich wieder einmal spät endet.